In unserer ackerdemiker.in Reihe "Zu Tisch bei ..." besuchen wir unsere Forschungsmitarbeiter*innen an ihrem Schreibtisch. An unserem Fachbereich arbeiten aktuell circa 30 Menschen in unterschiedlichen Forschungsprojekten und wir Studierende fragen uns in der Mensa // auf dem Campus natürlich oft: Wer sind diese Menschen und was machen sie hier?
Mit dieser Beitragsreihe wollen wir das Rätsel um (noch) unbekannte Gesichter am Fachbereich auflösen und schauen, ob Schreibtische von Wissenschaftler*innen ein wenig ordentlicher sind als unsere.
Nach unserem letzten Gespräch mit Laura Danzeisen, gehte es heute weiter mit Friedrich Birr. Er untersucht in einem Projekt des Bundesamt für Naturschutz (BfN) die nasse Bewirtschaftung von Niedermoorböden .
Hallo Friedrich, was genau machst du in deinem Projekt?
Ich bin in dem Projekt KLIBB (Klimaschonende, biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung von Niedermoorböden) für ein Jahr angestellt. Wir untersuchen, wie entwässerte Niedermoore nach einer Wiedervernässung bewirtschaftet werden können. Es gibt dabei mehrere Möglichkeiten, Niedermoore zu nutzen. Zum Beispiel durch den Anbau von produktiven Sumpfpflanzen wie Rohrkolben oder Schilf. Die finden dann Verwendung als ökologischer Baustoff oder als Brennstoff in Biomasse-Heizwerken. Rohrkolbensprossen kann man sogar essen – das Superfood von morgen? Niedermoore eignen sich aber auch zur Beweidung durch Gänse, Robustrinder, Wasserbüffel oder landwirtschaftlich gehaltenes Rotwild. Rotwild und Wasserbüffel fressen auch Seggen und Binsen – Pflanzen, die in einem nassen Moor typischerweise vorkommen. Wir wollen außerdem herausfinden, welche Effekte es auf die Biodiversität bei der Nutzung von nassen Mooren geben könnte. Die Fragestellungen betrachten wir immer unter dem Klimaaspekt. Das ist besonders wichtig, denn etwa 5% der deutschlandweiten Treibhausgasemissionen entstehen durch die oxidativen Prozesse in trockengelegten Moorböden. Ein nasses Moor gibt kaum noch Treibhausgasemissionen mehr frei und, wenn sich die torfbildende Vegetation wie Seggen, Schilf oder Braunmoose erholen und weiter wachsen, gibt es möglicherweise sogar einen positiven Effekt durch eine zusätzliche CO2-Speicherung. Außerdem gelten Moore auch als Wasserspeicher, die besonders in trockenen Sommern wie letztes Jahr eine wichtige Rolle spielen.
Das Projekt wurde vom BfN zum Projekt des Monats gekürt, auf der Internetseite gibt es daher noch viel mehr Infos dazu.
Wie bist du an die HNEE nach Eberswalde gekommen?
Ich habe in Dresden an der HTW Umweltmonitoring als Bachelor studiert. Mich haben aber auch die ökonomischen und soziologischen Themen in Verbindung mit dem naturwissenschaftlichen Hintergrund interessiert, weshalb ich dann an der HNEE RuN studiert habe. Nach meiner Elternzeit und meiner Arbeit bei einem Planungsbüro, in dem ich FFH- und Pflege- und Entwicklungspläne erstellt habe, bin ich wieder an die HNEE zurück gekommen und arbeite jetzt mit Prof. Dr. Vera Luthardt, bei der ich schon meine Masterarbeit geschrieben habe.
Und wie geht es für dich nach dem Jahr weiter?
Ab Herbst werde ich weiterhin für Frau Luthardt arbeiten, dann aber für das Projekt BOGOS (Implementierung einer einzelbetrieblich optimierten Grünlandnutzung auf organischen Standorten), bei dem vier Betriebe mit Grünlandwirtschaft auf organischen Böden genauer unter die Lupe genommen werden.
Was liegt heute auf deinem Schreibtisch, woran arbeitest du gerade?
Gerade liegen Abrechnungen auf dem Schreibtisch. Das muss auch hin und wieder erledigt werden. Aber ich bearbeite und korrigiere zusätzlich Steckbriefe, die wir zu den Nutzungsverfahren geschrieben haben. Die leite ich dann an einen Kollegen nach Mannheim weiter. Er wird dann die ökonomischen Berechnungen zu den nassen Nutzungsverfahren machen.
Was war denn die schönste oder lehrreichste Erfahrung bis jetzt?
Meine eindrücklichsten Erfahrungen mache ich immer, wenn ich draußen bin und z.B. die Gänse oder Wasserbüffel selber auf dem Niedermoor grasen sehe. Und mir macht es richtig viel Spaß, Landwirt*innen zu treffen, die eine Vorreiterrolle in der nassen Moorbewirtschaftung einnehmen. Zum Beispiel gibt es in Mecklenburg-Vorpommern ein Heizwerk , welches nur aus dem Niedermooraufwuchs 500 Haushalte mit Wärme versorgt.
Hast du auch Kontakt zu Student*innen?
Ja, ich betreue zwei Abschlussarbeiten. Die eine beschäftigt sich verstärkt mit der Niedermoornutzung als Gänseweide und die andere schaut sich die landwirtschaftliche Haltung von Rotwild auf den Flächen an. Da würden wir jeweils gern noch ein bisschen mehr wissen, um diese Tierarten für die Beweidung von Niedermooren zu empfehlen.
Gibt es Transferaktivitäten – in & aus der Praxis?
Während unserer Treffen mit der Moor AG gibt es regelmäßigen Austausch. Ansonsten stehen wir viel mit dem BfN in Verbindung und mit anderen bundesweit arbeitenden Mitarbeiter*innen wie der Uni Greifswald oder der HU Berlin. Und wir veröffentlichen unsere Ergebnisse, so wie die Steckbriefe gerade.
Gibt es etwas, was du dir von der Politik wünschst?
In der Klimadebatte sind jetzt alle gefragt, um die klimapolitischen Ziele bis 2050 umsetzen zu können. Dazu gehören alle Bereiche, auch die Landwirtschaft und die entwässerten Moore. Der letzte Hitzerekord-Sommer hat zusätzlich Druck aufgebaut. Wenn die Treibhausgase, die aus entwässerten Mooren emittieren auf Null reduziert werden sollen, dann müssen Rohrkolben und Schilf auch mit Direktzahlungen vergütet werden, also als landwirtschaftliche Flächen anerkannt werden. Und es braucht noch viel mehr Forschung in dem Bereich der Auswirkungen der Nutzungen auf die Biodiversität, damit die negativen Effekte der „trockenen“ Landwirtschaft - wie höchstwahrscheinlich das Insektensterben - bei unserer anvisierten nassen Nutzung nicht passieren.
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