Foto: Yvonne Martin
Brandenburg hat einen neuen Landwirtschaftsminister. Das dürfte inzwischen jeder mitbekommen haben. Eine gute Möglichkeit also, mit Studierenden der HNEE das geplante Agrarstrukturgesetz und die Agrarstruktur Brandenburgs zu diskutieren. Denn vor allem deshalb sitzen sie hier, unsere Ökolandbauer*innen und Öko-Agrarmanager*innen, LANUS, RUNer*innen und viele andere Menschen, die gerne ein Stück Land zum beackern und entfalten hätten und wissen möchten, wie sich die Situation um zu hohe Bodenpreise und Besitzverhältnisse in Brandenburg in Zukunft gestalten wird. Die Aula am Stadtcampus war demnach gerappelt voll, als am Montag 17.02.20 die Hochschulinitiative AG Agrarstruktur zum Informations- und Diskussionsabend mit Willi Lehnert vom Bündnis Junge Landwirtschaft e.V. und Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) einlud.
Agrarstruktur mitgestalten
In der Hochschulinitiative können alle mitwirken, die gerne mehr zum Thema Agrarpolitik und Landvergabe in Brandenburg erfahren, tatkräftig mitmischen und auf diesem Weg die Agrarpolitik in Brandenburg mitgestalten wollen. Mit dem Fokus auf Landverkauf und -vergabe möchte die AG die aktuelle Situation anhand von Fallbeispielen erforschen, Hofbesuche vornehmen und eigene Ideen entwickeln. Sie möchte außerdem mehr über den Brandenburger Bodenmarkt, das geplante Agrarstrukturgesetz und Möglichkeiten zur Mitgestaltung erfahren. Warum also nicht den Landwirtschaftsminister persönlich einladen, um diese brisanten und hoch aktuellen Themen zu diskutieren? Gesagt, getan und kurz zusammengefasst, worum ging es bei dem Diskussionsabend genau? Brandenburgs landwirtschaftliche Flächen werden zunehmend als Investitions- und Spekulationsobjekte gehandelt. Die Flächenpreise steigen und können oftmals nur noch von außerlandwirtschaftlichen Investor*innen bezahlt werden. Für kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe hingegen ist es fast unmöglich, Flächen zu erwerben, um diese zu bewirtschaften. Der neue Koalitionsvertrag Brandenburgs sieht bis 2021 einen partizipativen Leitbildprozess vor, um zu ermitteln, wie die Landwirtschaft in Brandenburg u.a. mit einem neuen Agrarstrukturgesetz gestaltet werden soll. Das betrachtet die AG als eine gute Möglichkeit, ihre Vorstellungen bzgl. einer fairen Bodenpolitik für Brandenburg in den politischen Diskurs einzubringen (Quelle: AG Agrarstruktur).
Die jungen Wilden
Den Anfang machte Willi Lehnert mit einem Einführungsvortrag zum Thema Agrarstruktur in Brandenburg. Er hat ebenfalls in Eberswalde LaNu studiert und ist später in die Landwirtschaft gegangen. Er kennt selbst viele HNEE Studis oder wie er Sie liebevoll nennt: „Die jungen Wilden“, die in die Landwirtschaft einsteigen und Land erwerben möchten. Doch er stellte auch klar, Brandenburg ist in seiner Agrarstruktur und was die Möglichkeiten für Junglandwirte*innen betrifft immer noch Entwicklungsland mit viel Potential.
Gewinner und Verlierer
Das wurde vor allem mit der Darstellung über die Ausgangslage zu den Strukturen in Brandenburg deutlich. Zu viele Zahlen erspare ich euch an dieser Stelle, aber feststeht: Bei einer Landnutzungsfläche von 1,4 Millionen Hektar verfügen nur sehr wenig Betriebe (6%) über sehr viel Fläche. Ein Großteil davon ist Pachtland, wobei der Anteil an Ökolandbauflächen gerade mal 12,9 % der gesamten Landnutzungsfläche ausmacht. Vor allem die Bodenpreissteigerungen der letzten Jahre sind ein Problem. Damit einhergehend die Frage: Wer kann es sich als Normalverdiener und vor allem als junger Mensch heute noch leisten, Land zu erwerben? Gewinner der aktuellen Agrarstruktur sind immer noch und vor allem hoch technisierte, flächen- und kapitalstarke Betriebe mit wenig Personal. Verlierer hingegen gering diversifizierte, kleinere Betriebe und Einsteiger*innen in der Landwirtschaft. Denn eines ist klar, wer viel Fläche hat bekommt auch viel Förderung! Um etwas an der Situation zu ändern, bedarf es u.a. der Klärung der Frage wem überhaupt Flächen in Brandenburg gehören sowie einer Inventur des Flächeneigentumes. Bisher gibt es keine Eigentümerstatistik für Brandenburg. Zu den Flächenakteuren wie Bund, Land, Kirchen, und Privateigentümern gibt es zwar Schätzungen, aber keine zentralen Erfassungen.
Hürden der Agrarstruktur
Doch es geht bei all der Diskussion nicht nur darum, dass Bodenerwerb für Einsteiger*innen finanzierbar wird. Boden erwerben ist teuer, Boden erhalten ebenfalls! Und Junglandwirte*innen haben dabei mit vielen Hürden zu kämpfen, denen es mit Hilfe eines neuen Agrarstrukturgesetzes entgegenzuwirken gilt. Dabei muss Junglandwirten*innen und Existenzgründern*innen vor allem der Einstieg besser ermöglicht werden und diese nicht nur professionell beraten, sondern auch über den gesamten Prozess hinweg begleitet werden, sowie Prämien für Junglandwirt*innen geschaffen werden. Ein weiterer wichtiger Schritt besteht darin, dass EU-Agrarsubventionen nicht mehr ausschließlich an die Flächen gebunden sein sollten.
Agrarpolitik in Brandenburg
An dieser Stelle wurde es theoretisch, aber deshalb nicht weniger interessant. Denn im Anschluss äußerte sich Landwirtschaftsminister Axel Vogel zu den Themen zukünftige Agrarpolitik, das agrarstrukturelle Leitbild und das Agrarstrukturgesetz in Brandenburg. Brandenburg braucht Bodenpolitik und ein Agrarstrukturgesetz. Das steht auch im Koalitionsvertrag. Demnach soll ein agrarstrukturelles Leitbild erarbeitet und darauf basierend ein Agrarstrukturgesetz konzipiert werden. Probleme sind, wie schon angesprochen, ein rasanter Anstieg der Boden- und Pachtpreise sowie ein Entzug von Wertschöpfung und Steuerkraft aus dem ländlichen Raum durch außerlandwirtschaftliche Investoren.
Ziele eines Agrarstrukturgesetzes wären die breite Streuung von Bodeneigentum, den Anstieg von Pacht- und Bodenpreisen zu dämpfen, dabei für mehr Transparenz auf dem Bodenmarkt zu sorgen und marktbeherrschende Positionen zu vermeiden. Axel Vogel stellte auch klar, dass Brandenburg bisher über kein konsistentes Leitbild verfügt und das Bodenmarkt und Agrarstruktur von vielen Faktoren abhängig seien. Es sind weitere Maßnahmen nötig, wie eine sinnvolle Flächennutzungspolitk und Existenzgründungen und Generationenwechsel in der Landwirtschaft. Ein Problem besteht auch darin, dass Aufforstungen immer stärker in den landwirtschaftlichen Nutzungsraum übergehen.
Diskussion mit Substanz
Nach den beiden Vorträgen war noch Zeit für eine ausgiebige Diskussion mit allen Anwesenden. Und Bedarf gab es dafür in jedem Fall. Es waren neben Studierenden auch Flächenbesitzer und Pächter anwesend, die ihre eigenen Erfahrungen mit allen Anwesenden teilten. Auch unsere Studies diskutierten fleißig mit und baten Minister Axel Vogel u.a. darum, dass aktuelle Leitbild näher zu skizzieren. Auch Anregungen darüber, dass das neue Gesetz nicht nur dämpfend wirken sollte, mit einem treffenden Vergleich zur Lage der Bodenpreise mit dem Mietspiegel für Wohnungen, wurden laut. Das geplante Gesetz sollte vielmehr den Effekt haben, dass Bodenpreise in Zukunft auch wieder sinken. Denn was bringt es einer/m Existenzgründer*in und Junglandwirt*in, wenn er/sie Land erwerben darf, aber die Bodenpreise schlichtweg zu teuer sind, um sich Land überhaupt leisten zu können. Fest steht, die Debatte um ein Leitbild für die Landwirtschaft in Brandenburg wird schon sehr lange geführt und es bedarf einer dringenden Veränderung unserer Agrarstruktur und eines konkreten Impulses, um Verbesserungen auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt in Brandenburg auf den Weg zu bringen. Dies soll in Form eines breiten Diskurses und eines partizipativen Leitbildprozesses mit der Öffentlichkeit und vor allem mit Menschen, die in die Landwirtschaft einsteigen möchten geschehen. Der Diskussionsabend lieferte hierfür einen gelungenen Auftakt.
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