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BIOFACH 2024 - ein Rückblick

Aktualisiert: 9. Okt.

Im Februar diesen Jahres hat wieder einmal die Bio-Fach Messe in Nürnberg stattgefunden. Dabei waren auch die Ökoland-Studiengänge der HNEE gemeinsam mit anderen Hochschulen am Gemeinschaftsstand von Kugler und Rosenberger (eine Firma, die sich auf Recruiting in der Öko-Branche spezialisiert hat) vertreten. Wir, Anna Günther, Moritz Bielesch (beide ÖLVen) und Luisa Keim (OLE) waren auf der Messe und möchten hier nachträglich unsere sehr persönlichen Eindrücke und Gedanken mit Euch teilen. Wir werden uns in diesem Artikel vor allem darauf konzentrieren, welchen Beitrag die Messe unserer Meinung nach zur Weiterentwicklung der Bio-Branche leisten kann. Falls du Dich fragst, was die BioFach-Messe in Nürnberg genau ist und worum es dort geht, lies am besten zuerst das Interview mit Sarah und Julian.

 

Nach unserem Besuch auf der BioFach kann mensch sich zu dem Gedanken hinreißen lassen, dass nicht nur der Klimawandel sowohl Anpassungs- als auch Schutzstrategien benötigt, sondern auch die Bio- Lebensmittelwirtschaft. Aber warum? Beim Herumstreunern auf der Messe stellt sich bei uns Dreien doch sehr schnell eine Reizüberflutung ein. (Zu) viele Geräusche, Gerüche, Stände, Plakate, Werbung, Kostproben, Menschen. Das ist natürlich vornehmlich dem Format Messe geschuldet, dennoch kommt der Eindruck auf, die Bio- Branche hat sich bereits optimal an die kapitalistische Marktlogik angepasst – und die besteht nun einmal vornehmlich aus einem Zu Viel. Beim Ausprobieren des 10. zuckerfreien Energieriegels bzw. wie heißt das „richtig“? PowerBite, Energy Bar, whatever – stellt sich dann doch die Frage, ob nicht ein Produkt gereicht hätte. Wo plötzlich so viele Datteln in Bio-Qualität herkommen und ob die Entscheidungsfreiheit dieser Zeit uns nicht schon längst in goldene Ketten gelegt hat. Diese Fesseln spüren wir aber erst dann, wenn mal gar nichts passiert – was eigentlich nie passiert, wenn mensch es nicht darauf anlegt – also, never mind. 

 

Dazu muss gesagt werden, dass dieser Artikel ein Gemeinschaftsprojekt ist und daher nicht von meinen grundsätzlichen Bedenken zu unserem Wirtschaftssystem überfrachtet werden sollte. Immerhin hast du hierher gefunden, weil du dich über die Messe informieren willst. 

Um zum anfänglichen Vergleich mit dem Klimawandel zurückzufinden: Die zweite Strategie ist der Klimaschutz, und wir merken, dass hier die angedeutete These  nicht mehr ganz passt. Trotzdem ist sie nicht unpassend, denn die Ideen der Bio-Pionier*innen dienen dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und haben es verdient, weitergetragen und durch jüngere Generationen an veränderte Rahmenbedingungen angepasst zu werden. Und neben dem Verkauf und Handel von Bio-Produkten mit hoch globalisierten Wertschöpfungsketten passierte auf der Bio-Fach genau das. Der dazugehörige Kongress stand dieses Jahr unter dem Motto „Food for the Future: Women’s Impact on Sustainable Food Systems“

 

Foto: Judith Möring


Neben dem Gender-Fokus hat uns als Standteam die Aktion „Cloud Dating der Generationen“ von Iniciato einige interessante Gesprächspartner*innen am Stand beschert. Das Prinzip der Aktion ist, dass mensch ein wolkenförmiges Schild in die Hand gedrückt bekommt. Darauf wird eine selbst ausgedachte Frage geschrieben, die besonders an die andere, also ältere oder jüngere Generation gerichtet ist und zur Diskussion über die Entwicklung der Bio-Branche anregen soll. Im Optimalfall läuft mensch dann über die Messe und kommt mit Anderen ins Gespräch. Da wir uns vor dieser großen Bühne scheuten und uns mit unserer Pflicht zur Standbetreuung geschickt aus der Affäre zogen, hingen wir stattdessen unsere Wolke über dem HNEE- Stand auf. Unsere Frage: „Was ist Deine Bio-Utopie?“ diente so regelmäßig als guter Gesprächsaufhänger und traf auf einige spannende Antworten. Das Schöne an dem Begriff Utopie ist ja, dass man hier völlig frei assoziieren und träumen kann und sich einen Augenblick mal nicht um die Realität kümmern muss. Wie es die Bundeszentrale für politische Bildung so schön formuliert: "Utopie ist eine auf die Zukunft gerichtete politische und soziale Vorstellung, die Wunschbilder einer idealen Ordnung oder fortschrittlichen menschlichen Gemeinschaft zeichnen." So sammelten wir einige gute Ideen wie die, der Entwurzelung der Menschen von der Natur wieder aktiv etwas entgegenzusetzen und z. B. Schüler durch verpflichtende Praktika in der Landwirtschaft die Möglichkeit zu geben, die Ursprünge ihrer Lebensmittel kennenzulernen und ihnen dadurch näherzubringen, wie viel Arbeit (und Liebe ;) ) in den einzelnen Produkten steckt. Eine weitere Idee bezog sich auf den Schutz der regionaler Märkte: Hierzu schilderten uns zwei Landwirte aus Bayern ihre Erfahrungen im Absatz ihrer Kartoffeln und den enormen Konkurrenzdruck mit importierten Kartoffeln aus anderen Ländern. Sie plädierten für strengere Import-Auflagen und Schutzmaßnahmen der nationalen Märkte insgesamt.  Um dies zukünftig verhindern zu können, bräuchte es strenge Auflagen und Schutzmaßnahmen der nationalen  Märkte insgesamt. Dazu würde auch zählen, kleinbäuerliche Strukturen wieder mehr zu unterstützen und die wahren (Umwelt-) Kosten in die Produktpreise zu integrieren Dies war ein weiterer Wunsch, der in unseren Gesprächen auftauchte. Wenn mensch sich die aktuelle Debatte um die Bauernproteste einmal genauer anschaut, wird recht schnell erkennbar,  mit welch unterschiedlichem Maß die Politik im Bereich Landwirtschaft misst und wie sehr vor allem die Kleinbauern und -bäuerinnen darunter leiden, so unsere Gesprächspartner.   

  

Auch wenn es für die meisten von uns Studis Hand in Hand geht, ist auf der BioFach zu sehen, dass Bio eben nicht gleich nachhaltig ist und dass es auch heute und in Zukunft noch Bio-Utopien braucht, um die Lücke zwischen beidem zu schließen. Während einige Unternehmen auf der Messe noch ziemlich weit weg von diesem Ideal sind und vermutlich auch gar nicht dahin wollen, ist es schön zu sehen, dass es viele Innovator*innen gibt, bei denen Nachhaltigkeit gelebte Firmenphilosophie ist und nicht nur ein gutes Verkaufsargument. Diese zu finden ist in dem bunten Treiben der Messe gar nicht so einfach und gelingt nur im direkten Gespräch und durch  kritisches Nachfragen. So sind uns ein paar Aussteller*innen in lebhafter Erinnerung geblieben. Zum Beispiel ein junges Unternehmen, welches aus Ackerbohnenprotein ziemlich leckeren, veganen Käse herstellt. Oder Saftproduzent*innen aus Thüringen, deren Hauptmotiv gar nicht der Saft ist, sondern der Schutz der Biodiversität durch die Pflege von Streuobstwiesen . 

 

Einem anderen gängigen Problem der Bio-Branche nahm sich die Georg-August-Universität in Göttingen an. In einem Vortrag mit dem Titel "Food Stories" trug Tabea Thomas, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni, Ideen vor, wie mensch das Wissen rund um die Herausforderungen in der Bio-Lebensmittel kreativer gestalten könnte. Gleichzeitig könnte so dem manchmal etwas trockenen, belehrenden Image der Branche zu etwas mehr Witz und Leichtigkeit verholfen werden. Es wurden mehrere Herangehensweisen vorgestellt. Dabei war die vielversprechendste, sich das Wissen mithilfe eines Spiels quasi selbst zu erarbeiten. Das Spiel folgt dem Grundprinzip von Black Stories. Mensch bekommt also eine bestimmte Situation erläutert und muss hinterher mithilfe von Ja- oder Nein-Fragen herausfinden, wie es zu dieser Situation kam. Dabei ist es hilfreich, über bestimmte Dinge Bescheid zu wissen. Im vorgeführten Fall war es z.B. hilfreich, Unterschiede zwischen konventionellen und Bio-Apfelplantagen zu kennen. Hat mensch den Fall erst einmal geknackt, war es möglich, sich mit Hilfe von Lernkarten noch weiter über das Thema zu informieren. Frau Thomas stellte aber auch noch eine weitere spielerische Lernidee vor: Hier wird mensch vor eine Dilemma-Situation gestellt, die es zu lösen galt. Zum Beispiel, dass mensch einer Freundin gern  einen Apfelkuchen backen würde, hierfür aber nur fünf Euro zur Verfügung hat und gerade April ist. Indem mensch versucht, sich auf unterschiedliche Weise dem Problem zu nähern, werden die eigentlichen Schwierigkeiten an dieser Situation vermittelt (z.B. Saisonalität usw.). Wer sich näher über das Projekt informieren möchte, bekommt auf der Homepage viele Lernmaterialien zur Verfügung gestellt.

 

Nach so vielen gegensätzlichen Eindrücken zeigt sich also auch auf der BioFach 2024 das Große mal wieder im Kleinen. Die Anpassung der Bio-Branche an ein garantiert nicht nachhaltiges Wirtschaftssystem und die Verfolgung von Idealen sind  so widersprüchlich wie nur möglich und passieren dennoch gleichzeitig. Und führen womöglich gerade deshalb zu neuen Lösungen. 


Übrigens: Auf der BioFach veranstalten wir auch immer ein Alumni-Treffen. Solltet Ihr also auf der Messe sein, schaut gerne vorbei oder meldet Euch bei unserer Ansprechpartnerin Stefanie Hundsdorfer.


Foto: Judith Möhring



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