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Das "Lokal" von der Kochkommode

Als ich Simon treffe, ist er wie immer gut gelaunt. Da er aber wie immer auch viel zu tun hat, bereitet er, während wir sprechen, schon mal das Fleisch für die Gulaschsuppe vor, die am nächsten Tag bei einer Veranstaltung serviert wird. Ich bin nicht zum ersten Mal in der Küche des Restaurants mit dem subtil mehrdeutigen Namen “Lokal”, welches Ricco, Emil und Simon nun schon seit  einem Jahr betreiben. 


Ein paar Mal war ich selbst zum Essen da, ein paar Mal habe ich in der Küche ausgeholfen. Mit seinen dunklen Holzstühlen mit den geschwungenen Lehnen, den rustikalen Tischen und den zwei Sitzinseln am Fenster, von denen aus man den besten Blick über den Gastraum und über das (mehr oder weniger) Treiben draußen hat, fühlt sich der Ort an wie eine Mischung aus rustikalem Gasthaus und französischem Bistro. Im Sommer kann man wunderbar im lauschigen Innenhof einen Aperitif schlürfen. Mit einem Service, der beim Bestellung aufnehmen gerne mal in die Hocke geht, um auf Augenhöhe zu sein und Köchen, die sich nicht scheuen, das Essen persönlich zu servieren und sich beim Abräumen überzeugen wollen, dass  alles geschmeckt hat, wird das Lokal, zu einem Ort, an dem ich mich bei jedem Besuch schnell wohlfühle.

Foto: Kochkommode GmbH


Kurzum: Da haben sich viele nette Leute gefunden, die wissen, worauf es beim Gastgeben ankommt und noch mehr dafür tun, dass die Gäste einen richtig schönen Abend haben. Aber nicht nur der Speiseraum an sich wird dem Restaurantnamen gerecht, noch mehr ist es die Küche, die in der Umgebung verwurzelt ist. Simon erzählt mir, dass die meisten Produkte direkt bei den Erzeugern bestellt und zum Teil sogar selbst abgeholt werden. Das ist ein großer Aufwand, den sich fast nur bekannte Fine-Dining-Läden in Berlin leisten können und wollen. Dementsprechend glitzert das Lokal als kleines Juwel im sonst doch eher kulinarisch beschaulichen Mittelstädtchen. Von Eberswalde aus  sind die Wege zu den Produzent*innen wie die Gärtnerei Melchhof oder Liese und Töchter zumindest etwas kürzer als ausBerlin – und die Beziehungen zu den Erzeuger*innen immer persönlich. Das liegt vermutlich auch daran, dass das Restaurantprojekt schon einige Zeit Vorlauf hatte und die drei Köche in der Umgebung bestens vernetzt sind. 


Während Simon, der in Eberswalde aufgewachsen ist und zur Kochlehre nach Österreich ging und in der Corona- Zeit Mittagessen auf dem Wochenmarkt verkaufte, produzierten Ricco und Emil bereits eigene Aufstriche. Die beiden lernten sich im Studium ‘Ökolandbau und Vermarktung’ kennen, nachdem sie nach ihrer Ausbildung müde vom Küchenbetrieb wurden. Vereint wurden ihre kulinarischen Projekte, als gemeinsame Freunde davon sprachen, dass es noch jemanden gibt, „der genauso viel und gerne über Essen redet.“Und da ähnliche Erfahrungen in der Sternegastronomie und ein geteiltes Verständnis von hochwertiger Küche zusammenschweißt, wurden sie Freunde und Geschäftspartner. Ebenso wenig geplant wie dieser Zusammenschluss war die Eröffnung eines eigenen Lokals, denn sie hatten „alle gar keinen Bock mehr auf Kochen im Restaurant“. Aber da die Räumlichkeiten mit ausgestatteter Küche schon da waren und ihnen direkt angeboten wurden, überlegten sie es sich anders. Auch um dauerhaften Zugang zu einer eigenen Küche für andere Projekte zu haben.


Wie schmeckt es denn nun, das Lokal? Der Name ist ja kein Zufall. Simon schätzt, dass 90% der verwendeten Produkte aus der Region kommen und dementsprechend auch saisonal und meistens ökologisch zertifiziert sind. Dogmatisch soll es aber nicht sein, es werden also auch mal Zitronensaft oder Auberginen verwendet. Viele Gerichte sind beliebte Klassiker mit einem gewissen Twist, quasi moderne Wirtshausküche, die gut aussieht, nicht zu kompliziert ist und am wichtigsten: immer gut schmeckt. So wird das klassisch deutsche Aromenspektrum, das sich so oft auf zurückhaltend gewürzte Grundprodukte beschränkt, sanft ausgedehnt, wenn zum Beispiel der Wildfang- Zander aus Brodowin mit Salzzitronen- Kartoffelstampf auf den Teller kommt. 

Foto: Kochkommode GmbH


Das Lokal spricht Menschen an, die Wert auf gutes Essen legen und weniger diejenigen, die möglichst große Portionen für wenig Geld wollen. Wer neugierig auf handwerklich versiert und nachhaltig produzierte Kulinarik ist, wird im Lokal auf jeden Fall glücklich. Da das Lokal etwas für den besonderen Anlass ist, stehen auch Fisch und Fleisch auf der Karte, es gibt auch  immer vegane und vegetarische Variationen. Wenn also mal Mama, Papa und Co. zu Besuch sind oder etwas gebührend gefeiert werden muss, dann probiert es doch mal aus und lasst euch die Kulinarik am besten noch mit - und das ist sonst wirklich schwer zu finden - brandenburgischen Getränken versüßen.


PS: Emil und Ricco, die selbst so gut wie fertig mit ihrem ÖLV- Studium sind, haben sich

kleinstadttypisch den Bezug zur HNEE erhalten. Wenn ihr ERNA oder ÖLV studiert oder studieren wollt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie euch in den Modulen „Existenzgründung in der Landwirtschaft“ oder „Projekt Studienpartner Ökobranche“ über den Weg laufen.

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