Die Klimakrise schreitet weiter voran, Ungleichheiten werden größer und das politische Handeln ist nicht effektiv genug. Obwohl der globale Süden weniger zum Klimawandel beiträgt, sind die Umwelt und somit auch die Menschen vor Ort, mehr davon betroffen als der globale Norden.
Zudem sind Frauen laut Umweltbundesamt stärker vom Klimawandel betroffen, verursachen weniger Treibhausgase und sind weniger in Entscheidungspositionen vertreten.
Unsere Projektwerkstatt dreht sich genau um diese Themen: Gender- und Klima(un)gerechtigkeit!
Die Tutor*innen Elo, Julia und Zora leiten dieses wunderbare Modul. Ein Konzept von Studis für Studis. Mit der Projektwerkstatt (PW) „Gender & Klimagerechtigkeit“ wollen sie genau diese Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten sichtbar und verständlich machen und vor allem dafür sensibilisieren. Zum Modulabschluss werden von allen Teilnehmenden Zines (kleine Magazine) erstellt. Die Themen können sich die Studis selbst auswählen solange sie annähernd mit dem Projektthema übereinstimmen. Um aber erstmal in die Thematik einzusteigen, Wissen zu generieren und vor allem über die Ungerechtigkeiten zu sprechen, arbeiten wir zum einen mit sozialwissenschaftlichen Texten zur Gender- und Klimagerechtigkeit sowie mit Texten über Sprache und feministischer postkolonialer Theorie. Darüber hinaus gibt es Vorträge und Workshops von Gastreferent*innen zu verschiedenen Themen oder auch mal eine Exkursion. Von einer dieser Exkursionen möchten wir euch hier erzählen.
Unsere Exkursion zum Thema Gender & Landwirtschaft beim Hofkollektiv BASTA
Am 22. Oktober ging es für uns, eine gemischte Gruppe aus verschiedenen Studiengängen und Semestern, in das schöne Dörfchen ‘Basta’ im Oderbruch. Vollgepackt mit Essen machten wir uns mit zwei Hochschulautos auf den Weg zum Hof BASTA, einem gemeinnützigen Hof-Verein.
Hof BASTA hat kein „klassisches“ Hofgelände mit einem großen Bäuer*innenhaus in der Mitte und viel Grün und großen Scheunen drum herum. Wir stehen auf einer eher weitläufigen Fläche. Überall stehen Sachen herum: Maschinen, Fahrzeuge, Silos, eine PV-Anlage. Es gibt ein großes Gebäude, das mal ein Pferdestall war und nun für Lagerräumlichkeiten und Betrieb genutzt wird, und ein gemeinschaftliches Wohnhaus am Rand.
Irgendwo allein auf dem Land, mit nur einer Handvoll Nachbar*innen liegt diese Hofgemeinschaft. Und obwohl dieses Bild zu Beginn etwas trist wirken mag, trübt es den ersten Eindruck nicht.
Denn auf den zweiten Blick entsteht eine idyllische Landwirtschaft, bzw. wird diese zum Greifen nah. Auf einer Grünfläche am Rand ist eine Sitzecke mit Feuerstelle zu sehen, um die Ecke stehen zwei Komposttoiletten. Ein paar Katzen huschen immer mal wieder an einem vorbei, Schafe grasen auf einer Weide, die Laufenten watscheln, laut quakend, immer zusammenhängend in einer großen Gruppe über den Hof und sammeln herumliegende Getreidekörner vom Boden auf. Der Mähdrescher, der aussieht als wäre er in seinem früheren Leben mal ein Panzer gewesen, ist nett mit Schriftzügen bemalt. Eine Vielzahl schöner alter ausgebauter Bauwägen stehen auf dem Gelände und in sichtbarer Ferne sehen wir die angelegten Gemüsebeete und Folientunnel glitzern.
In dem umgebauten Pferdestall stand uns ein gemütlicher Seminarraum mit Pellet-Ofen und Küche zur Verfügung, indem wir uns aufhalten und schlafen konnten. Als zusätzliche Schlafmöglichkeit gab es zwei Bauwägen, in denen ab und zu Mitarbeiter*innen des Hofs oder Gäste leben, die zu dem Zeitpunkt aber freistanden.
Unsere Tutis – so nennen wir unsere Tutor*innen - hatten ein tolles und diverses Programm vorbereitet. Zu Anfang stärkten wir uns bei einer gemütlichen Brot- und Kuchenzeit.
Hofrundgang mit René
René, ein verträumtes und mit guter Laune ansteckendes Menschlein und Teil des Kollektivs, führte uns über den Hof, zeigte und erklärte alles. Ein großer Vorteil für den Betrieb (und uns): die Flächen liegen arrondiert: 14 ha Ackerfläche, 6 ha Gemüse-, Obst- und Naturschutzflächen hat der Hof zu bieten. Die meisten der Erzeugnisse gehen an eine Community Supported Agriculture (CSA). Ein SoLaWi Konzept, in dem eine Versorgungsgemeinschaft sich die Ernteanteile aufteilt und den jährlichen Finanzbedarf des Hofes trägt. Bisher handelt es sich hierbei hauptsächlich um die Ernte des Gemüses und des Obsts. Zukünftig soll aber auch eine SoLaWi für Ackerbauprodukte entstehen. Mehr Infos dazu findet ihr hier.
Hof BASTA möchte es anders machen. BASTA – SCHLUSS mit Niedriglohn in der Landwirtschaft, 60 Stunden Wochen, hierarchischen Geschäftsmodellen, Entkopplung der Konsument*innen von ihren Lebensmitteln, Patriarchat und Männerdominanz, Rassismus und unsicheren Besitzverhältnissen.
René erzählte uns von einer Landwirtschaft, welche Boden schont und aufbaut, regional, nachhaltig und biologisch ist, fair entlohnt, Kapazitäten und körperliche Grenzen respektiert, hierarchiefrei sein soll, solidarisch von einer Gemeinschaft getragen wird, ihre Flächen von der KulturLand eG pachtet (welche gemeinwohlökonomisch wirtschaftet) und ganz nebenbei Kultur-, Bildungs- und linkspolitische Aufklärungsarbeit leistet sowie einen Seminarraum verwaltet. Und wahrscheinlich reicht das nicht mal aus, um zu beschreiben, was dieses Projekt alles ausmacht.
Das Ganze ist gehüllt in einen Schleier der Harmonie. Draußen an der frischen Luft leben und arbeiten ruhige, entspannte und fröhliche Menschen zusammen und lassen die Grenzen dazwischen auch gern einmal verschwimmen. Denn diesem Ort scheint nichts Negatives anbehaftet zu sein. Gute Intentionen gepaart mit den richtigen Initiator*innen bilden ein Beispiel für eine moderne und zukunftsorientierte Landwirtschaft und Lebensweise und lassen selbst die festgefahrendsten Städter*innen von einem Leben auf dem Land träumen. Wenn ihr mehr über das Hofkollektiv BASTA erfahren wollt, schaut gern hier nach.
Weiter im Programm ging es mit einem Input von Julia sowie Teambuilding Aufgaben, thematischer Kleingruppenarbeit, einem gemeinsamen Abendessen und Lagerfeuer am Samstag. Es folgte ein gemeinsames Frühstück und ein Input von Paula Gioia, bevor wir gemeinsam den Sonntag ausklingen ließen.
Vorträge von Julia und Paula Gioia
Ein wichtiges Ziel des Wochenendes als Teil der Projektwerkstatt war es, dem Zusammenhang von Landwirtschaft und Gendergerechtigkeit näher zu kommen.
Deshalb wurden zu diesen Themen zwei Vorträge von Referent*innen für uns vorbereitet. Zum einen von Julia (einer der Tutor*innen) über das Thema “Frauen in der Landwirtschaft” und zum anderen von Paula Gioia, Teil eines Hofkollektivs in Brandenburg und Aktivist*in für die weltweite Kleinbäuer*innenbewegung „La Via Campesina”.
Julia bezog sich in ihrem Vortrag besonders stark auf eine Studie, welche 2022 von dem Thünen Institut, der Universität Göttingen und dem Deutschen Landfrauen Verband e.V. veröffentlich wurde: “Frauen.Leben.Landwirtschaft. ”.
Besonders eindeutig hat sie uns anhand von Studien gezeigt, dass Landwirtschaft ein Ort männlicher Dominanz und Herrschaft ist. Frauen vollziehen die reproduktive (Buchführung, Direktvermarktung, Tierhaltung usw.) und Männer die produktive Arbeit (Tätigkeiten mit Maschinen und Ackerbau). Dieses Phänomen wird als Gender Care Gap bezeichnet. Julia zeigte uns Zahlen von Missbrauchsfällen und Diskriminierung und machte uns darauf aufmerksam, dass es quasi keine Sichtbarkeit für queere Menschen in der Landwirtschaft gibt. Die männliche Norm dominiert auch diese Arbeitswelt und sorgt dafür das wir auch hier noch weit entfernt von einer Gendergerechtigkeit sind.
In dem zweiten Vortrag von Paula Gioia am Sonntagvormittag, bekam wir einen sehr ergreifenden Eindruck der Situation von queeren Aktivist*innen innerhalb der „La Via Campesina”(LVC) Bewegung. Die LVC ist die weltweit größte soziale Bewegung. Sie vertritt die Interessen von rund 200 Millionen Menschen und umfasst über 180 lokale und nationale Organisationen in über 80 Ländern. Dabei setzt sie sich gegen eine Globalisierung des Lebensmittelhandels und gegen die politische Macht von Global Playern wie z.B. der Welthandelsorganisation (WTO) ein. Sie fordert eine umweltfreundliche und kleinbäuerliche Landwirtschaft.
Paula Gioia gab uns einen Einblick in diese Strukturen und berichtete von einem Kampf und Fortschritt für mehr queere Sichtbarkeit in der LVC. Außerdem machte sie uns deutlich, dass auch solch fortschrittliche Bewegungen noch viel Ausbaufähigkeit haben, wenn sie eines Tages eine Gendergerechtigkeit erreichen möchten.
Auch wenn wir am liebsten noch viele Tage auf dem Hof verbracht hätten, ging es für uns am Sonntagnachmittag doch wieder zurück nach Eberswalde. Wir alle haben sehr viel aus dieser kurzen, aber intensiven Zeit mitgenommen und die Hof- und Landluft hat uns mehr als gutgetan. Nicht nur viel Wissen, welches wir verarbeiten mussten, sondern auch persönlich und gemeinschaftlich hat jede*r von uns ein Stück mitnehmen können.
Zu guter Letzt noch ein großes, großes Dankeschön für die ganze Zeit und Energie, die für die Planung der Exkursion von unseren Tutis aufgewendet wurde. Wir hoffen, die Projektwerkstatt bleibt weiterhin in diesem Format bestehen und dass viele Menschen Lust haben, sich zu beteiligen. Es ist ein großes Geschenk im Rahmen der Hochschule sich mit diesen Themen und Eindrücken beschäftigen zu dürfen.
Wir sagen Danke und Tschüss! BASTA!
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