Ein Gastbeitrag von Dr. Thomas Göttert
„Was genau macht Ihr da am Forschungszentrum?“ Naheliegende Antwort: „Irgendwas mit Transfer!“ Als die Frage an uns herangetragen wurde, etwas über die Arbeit des Forschungszentrums [Nachhaltigkeit - Transformation - Transfer] für diesen Blog zu verfassen, war mein Reflex: Kann ja nicht so schwer sein, einen Kurztext für dieses ominöse Internet zu verfassen. Also berichte ich mal von einem unserer Projekte – der Kartierung von Nachhaltigkeitstransfer.
Das Thema Nachhaltigkeitstransfer (NHT) spielt bei uns eine zentrale Rolle. Dabei geht es um solche Transferaktivitäten, deren Ziel ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in der Gesellschaft ist. Es geht eben gerade nicht (nur) um Technologietransfer, sondern um weite Bereiche der Wechselbeziehungen zwischen Academia und Gesellschaft mit Fokus auf Nachhaltigkeitswirkung. Wer es genauer wissen will, kann mal in unser Konzeptpapier schauen: https://opus4.kobv.de/opus4-hnee/frontdoor/index/index/docId/224
Im Zuge unserer Auseinandersetzung mit diesem Thema kommen immer wieder ähnlich lautende Fragen auf den Tisch, z.B.:
Auf irgendeine Art wollen alle nachhaltig sein, aber wie können wir das konkret festmachen?
Alle sprechen sich irgendwie für Transfer aus - muss der Anstoß von Seiten der Hochschulleitung kommen oder setzen wir auf intrinsische Motive einzelner Leute?
Wir machen schon viel Transfer, aber wie bekommen wir es hin, den Transfer in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten und zu qualifizieren?
Wie können wir es hinbekommen, dass Engagement für Transfer angemessen anerkannt und honoriert wird?
Welche Anreizsysteme sind dafür geeignet?
Hier zeigt sich ein grundlegendes Dilemma: Es gibt an Hochschulen einfach Menschen, die Bock auf Transfer haben und die intrinsisch motiviert für das Thema sind, obwohl es häufig mit Mehraufwand und nicht honorierter Arbeit verbunden ist. Die klassischen Anreizsysteme und Belohnungsmechanismen akademischer Selbstverwaltung – z.B. Drittmittelaufkommen, Impactfaktoren der Publikationen, Anzahl laufender Abschlussarbeiten – greifen hier einfach nicht. Es besteht ein Widerspruch in sich: Für Menschen, die sich für NHT einsetzen, sind die klassischen Belohnungssysteme oft nicht entscheidend, sonst würden sie sich (nämlich irgendwann) nicht (mehr) für NHT einsetzen.
Nun aber zur „Kartierung“ von NHT: Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis – die Förderung von NHT benötigt neuartige Belohnungsmechanismen – versuchen wir, einen adäquaten Ansatz zu entwickeln. An erster Stelle steht die Aufgabe, bereits stattfindende Aktivitäten überhaupt sichtbar zu machen. Immer wieder zeigte sich nämlich, dass die Menschen, die wir zu dem Thema befragten bzw. mit denen wir Veranstaltungen zu dem Thema durchführten, zu der Erkenntnis gelangten, dass sie sehr viel mehr NHT machen, als ihnen bei erster Überlegung bewusst war.
Weil wir glauben, dass sich NHT nicht besonders gut mit klassischen Scores und Impactmessungen (à la höher, schneller, weiter) erfassen lässt, haben wir die Methode der „Kartierung“ entwickelt. Ziel ist es, zu versuchen, eher schlaglichtartig als systematisch und in kollektiver Atmosphäre zum einen NHT sichtbarer zu machen und zum anderen eine geleitete Möglichkeit zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch zu diesem Thema zu bieten.
Diese Karten sind keine geografischen Koordinatensysteme, sondern zweidimensionale Bezugssysteme, die es Menschen möglich machen sollten, ihre NHT Aktivitäten gemeinsam zu verorten. So sollten NHT-Aktivitäten beispielsweise den Themenfeldern „naturbezogen“, soziokulturell“ oder „ökonomisch“ zugeordnet werden. Dabei ist es wichtig, dass diese „Kartierung“ im Rahmen eines Workshops stattfindet, denn diese interaktive Atmosphäre kann helfen, die eigenen Verortungen im Gespräch mit anderen Menschen zu hinterfragen und ggf. neu zu justieren und so das Thema NHT sowie die förderlichen und hinderlichen Rahmenbedingungen besser auszuarbeiten. Klingt kompliziert? Ist es auch!
Nein, nicht wirklich. Wir haben die Klausurtagung des Fachbereich 2 im September dazu genutzt (Anm. der Redaktion: hier treffen sich die Lehrenden des Fachbereichs an 2 Tagen), die NHT-Aktivitäten eines gesamten Fachbereichs zu kartieren. Es wäre gelogen, zu behaupten, dass alle begeistert davon waren, dass sie im Nachgang einer wahrscheinlich anstrengenden Klausursitzung noch an einem 2,5-stündigen Workshop zum Thema NHT-Kartierung teilnehmen sollten. Der Umstand, dass regelmäßig Abfragen und Erhebungen zu Transferaktivitäten an der HNEE durchgeführt werden, hat dem Vernehmen nach bei manchen auch nicht gerade zu einer erhöhten Bereitwilligkeit zur Teilnahme beigetragen. Wenn wir dies bedenken, war es doch erstaunlich, dass sich niemand absentierte, sondern alle, wirklich alle, mitmachten – danke dafür!
Wir haben diese Kartierungen in verschiedenen themenspezifischen Kleingruppen à 10-15 Personen durchgeführt. Eine interessante Erfahrung war folgende: Menschen, die von Hause aus eher weniger mit Transfer am Hut zu haben meinen, äußerten zu Beginn der Kartierung doch erhebliche Bedenken ob der Sinnhaftigkeit dieses Formates, blühten aber im Verlauf immer mehr auf und zeigten sich am Ende eher gelöst und entspannt. Menschen, die sich sowieso schon intensiv mit dem Thema Transfer befassen, mussten wir zu Beginn der Veranstaltung nicht die Sinnhaftigkeit der Kartierung nahebringen, hier erfolgte eine kritische Auseinandersetzung mit der Transferthematik eher im weiteren Verlauf des Formates. Wir haben die Ergebnisse der Kartierung dem Fachbereich kommuniziert und würden gern weitere Fachbereiche der HNEE einschließen. Außerdem – und das wäre uns wirklich ein Herzensanliegen – würden wir gern noch stärker die Menschen einbinden, die sozusagen on the ground NHT-Aktivitäten mit Leben erfüllen – wissenschaftliche Mitarbeiter*innen (WiMis) aus Drittmittelprojekten an der HNEE. Dies ist uns ein wichtiges Anliegen für das erste Quartal 2023!
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