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AutorenbildMirjam Röder

Markthalle Neun - Bildung mit Biss

Aktualisiert: 1. Juli 2022

Die Markthalle Neun im Herzen Kreuzbergs ist nicht nur ein Ort zum Shoppen und Schlemmen – auch Kultur und Bildungsarbeit wird hier großgeschrieben. Wie es zu dieser Entwicklung kam und was HNEE-Studentin Luisa Vellay während ihres Praktikums in der Kochschule Neun erlebt hat, lest ihr hier.

Kochen mit Kindern in der Kochschule (Foto: Luisa Vellay)


Bevor wir einsteigen, haben wir noch was zum Hintergrund der Berliner Markthallen zu sagen. Sehr interessant, lest selbst.

Mitte des 19. Jahrhunderts führte in Berlin das starke Bevölkerungswachstum in Kombination mit Ernteausfällen zu Versorgungsengpässen und einer starken Verteuerung von Nahrungsmitteln. Die Proteste gegen die hohen Lebensmittelpreise eskalierten schließlich im Frühjahr 1847 in der sogenannten „Kartoffelrevolution“, bei der hungrige Berliner*innen mehrere Tage lang Marktstände, Bäckereien und Fleischereien plünderten, bis das Militär die Unruhen schließlich beendete.

Um die Versorgung der Bevölkerung mit preiswerten Lebensmitteln zu sichern sowie insbesondere verderbliche Produkte unter hygienischen Bedingungen lagern und verkaufen zu können, wurde 1867 die erste Berliner Markthalle eröffnet. Das Konzept konnte sich aber noch nicht so richtig durchsetzen, sodass die Halle aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit bereits im folgenden Jahr wieder geschlossen wurde. (Das Gebäude wurde in der Folge mehrfach umgebaut und u.a. als Waffenlager, Zirkus und Theater genutzt. Heute befindet sich an dieser Stelle der Friedrichstadt-Palast.)

In den 1880er- und 90er Jahren entstanden in Berlin insgesamt 14 Markthallen, bevorzugt in Stadtteilen mit hoher Bevölkerungsdichte oder an Standorten mit Anschluss an die damals neu erbaute S-Bahn. In den Markthallen konnten die Berliner*innen nun auch bei schlechtem Wetter preiswerte Lebensmittel einkaufen, außerdem wurden die hygienischen Zustände in den Hallen staatlich überwacht und waren deutlich besser als auf den vorher üblichen Wochenmärkten unter freiem Himmel. Auch die Händler*innen profitierten von den neuen Markthallen – dort mussten sie zwar höhere Standmieten bezahlen als auf den Wochenmärkten, konnten aber dafür auch bei Regen und bis in den Abend hinein ihre Waren verkaufen.

In den Jahren bis zum ersten Weltkrieg mussten vier der 14 Markthallen schließen, weil sie nicht mehr rentabel waren. In den verbliebenen zehn Hallen kauften dagegen weiter viele Berliner*innen ein, besonders während der Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren.

Im zweiten Weltkrieg wurden fast alle Berliner Markthallen so stark beschädigt, dass sie anschließend nicht mehr genutzt werden konnten. Nur die Hallen Neun, Zehn und Elf in Kreuzberg und Moabit wurden nach dem Krieg wieder in Betrieb genommen (letztere erst 1953, nachdem der Wiederaufbau abgeschlossen war).

Die Markthalle Neun stand in den folgenden Jahrzehnten mehrfach vor der Schließung, z.B. nach dem Mauerbau 1961, durch den sie zahlreiche Kund*innen verlor, und später durch Pläne, das Gebäude in einen Supermarkt umzuwandeln. Diese Pläne konnten 2010 durch die Arbeit einer Anwohner*innen-Initiative gestoppt werden, sodass die Markthalle heute wieder als solche genutzt wird.


Die heutige Markthalle Neun bietet aber viel mehr als nur Essen. Neben dem Verkauf von Lebensmitteln dient sie auch als Treffpunkt für Anwohner*innen, unterstützt deren Initiativen und schafft eine Plattform für Projekte, die sich kritisch mit den Themen Ernährung, Umwelt, Landwirtschaft oder Stadtgesellschaft auseinandersetzen. Außerdem werden Kochkurse sowie verschiedene Bildungsangebote angeboten. Unter dem Motto „Anders-Essen“ wird vermittelt, wie auch in der Großstadt ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Ernährungskonzept umgesetzt werden kann: regional, transparent, in Respekt zu Mensch, Tier und Umwelt.

Und genau da - in der Bildungsarbeit der Markthalle Neun - setzt das Praktikum von Luisa in die zugehörige Kochschule an:


Hallo Luisa, zunächst mal: Seit wann und was studierst Du in Eberswalde?

Ich studiere seit dem Wintersemester 2020 im Masterstudiengang Öko-Agrarmanagement.


Wo hast Du Dein Praktikum gemacht?

In der Kochschule Neun der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg. Dort habe ich in der Kinder-Kochschul-Akademie und im Senior*innenkochprojekt „Zusammen isst man weniger allein“ mitgearbeitet.

Essen in der Kochschule (Foto: Luisa Vellay)

Die Kinder-Kochschul-Akademie ist eine achtteilige Projektreihe, in der Grundschüler*innen der vierten bis sechsten Klasse etwas über unterschiedliche Nahrungsmittel – Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte und Gewürze, Getreide und Milchprodukte sowie Zucker und Honig – lernen. Dieses Wissen können die Kinder dann beim Kochen in der Kochschule auch gleich in die Praxis umsetzen. Außerdem gehören zu der Projektreihe noch je ein Ausflug zu einem viehhaltenden und einem Gemüsebaubetrieb.


Der Kochtreff für Senior*innen fand erstmals im Sommer 2021 statt und ist damit noch relativ neu. Er soll den Teilnehmer*innen vor allem die Möglichkeit bieten, beim gemeinsamen Kochen (und anschließenden Essen) miteinander ins Gespräch zu kommen und soziale Kontakte zu knüpfen – etwas, das ja während der Corona-Pandemie z.B. aufgrund von Besuchsverboten in Altersheimen für Senior*innen nur eingeschränkt möglich war bzw. ist.


Nach welchen Kriterien hast Du Deine Praktikumsstelle ausgewählt? Was wolltest Du dort vor allem lernen oder vertiefen?

Nach der Wohnortnähe und weil ich nach einem Jahr Pandemie und Online-Veranstaltungen etwas mit mehr Praxisbezug machen wollte. Thematisch hat mich besonders der pädagogische Aspekt bei der Vermittlung von ernährungs- und agrarbezogenen Themen interessiert.


Was waren Deine hauptsächlichen Aufgaben im Praktikum?

Zum einen die Organisation, Vorbereitung und Durchführung der Kinder-Kochschul-Akademie sowie des Senior*innenkochens. Zum anderen auch Büroarbeit, zum Beispiel die Aufarbeitung von Lernmaterial (Rezepte, Übungsblätter usw.) oder die Evaluation der Kurse in der Kinder-Kochschul-Akademie. Außerdem habe ich den Ausflug einer Schulklasse zum Weltacker Berlin organisiert und dann auch selbst begleitet.


Was nimmst Du aus dem Praktikum mit, auch im Hinblick auf Deine berufliche Orientierung?

Ich nehme viel praktische Erfahrung in der Bildungsarbeit mit Kindern zu den Themen Landwirtschaft und Ernährung mit und kann mir vorstellen, auch weiterhin in diesem Bereich zu arbeiten.


Welche Tipps würdest Du einem/einer Kommiliton*in geben, wenn diese Person darüber nachdenkt, auch ein Praktikum in der Kochschule Neun zu machen?

Wenn mensch Lust hat viele praktische Einblicke in die Bildungsarbeit mit Kindern im Bereich Ernährung zu sammeln und auch eigenständig zu arbeiten, ist dies genau der richtige Praktikumsort.


Vielen Dank für das Interview!

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