„Raus in die Welt und was bewirken“ – Eine NaRegio-Alumna blickt zurück auf ihre Studienzeit
- Emilia Wolfram
- vor 17 Minuten
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Die ehemalige Studentin Tessina Ott arbeitet seit Kurzem als Regionalmanagerin in der Region Marburger Land. Im Interview erzählt sie von ihrer Zeit während und nach dem Studium in Eberswalde.

Hallo Tessina, was hast du in Eberswalde studiert und wie kam es dazu? Ich habe den Master „Nachhaltige Regionalentwicklung“, kurz NaRegio, studiert. Im Bachelor habe ich Lehramt Biologie und Geografie für die Sekundarstufe I studiert. Durch ein Seminar an meiner Pädagogischen Hochschule bin ich dann auf den Master aufmerksam geworden. Dort gab es einen ökologischen Lerngarten, in dem wir praxisnah gearbeitet haben. Die Studierenden, die dort als Tutorinnen tätig waren, haben den Master „Biodiversität und Umweltbildung“ studiert – das hat mich neugierig gemacht. Ich habe dann mehrmals bei Veranstaltungen hospitiert und festgestellt, dass ich mich nach meinem Bachelor auch gern in dieser Richtung weiterbilden möchte.
Und warum gerade Eberswalde? Ich fand es toll, dass es eine Hochschule gibt, die sich der nachhaltigen Entwicklung verschrieben hat. In meinem Lehramtsstudium habe ich mich mit meiner ökologisch-nachhaltigen Ausrichtung manchmal etwas allein gefühlt. An der HNEE hatte ich das Gefühl, in eine Gemeinschaft zu kommen, in der meine Werte und Interessen geteilt werden. Außerdem hatte ich Lust, mal eine neue Region kennenzulernen. Ich bin in Baden-Württemberg aufgewachsen und war vorher nie in Berlin oder den neuen Bundesländern. Die Entscheidung für Eberswalde war also auch eine bewusste Entscheidung für einen Tapetenwechsel.
Wie hast du das Studium erlebt? Gab es viele praxisnahe Elemente? Sehr viele. Ich fand das Studium insgesamt total praxisnah. Im ersten Semester hatten wir Module, in denen wir Organisationen der Regionalentwicklung kennenlernten. Ab dem zweiten Semester ging es richtig los mit Praxisprojekten. Zum Beispiel haben wir im Modul „Regionale Nachhaltigkeitstransformationen in Theorie und Praxis“ mit dem Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg zusammengearbeitet. In einem anderen Modul haben wir Beteiligungsmethoden im Rahmen eines Forschungsprojekts in Storkow umgesetzt.
Außerdem haben wir in einem Umweltbildungsmodul eigenständig mit Schulkindern gearbeitet. Das war ein echter Sprung ins kalte Wasser, aber unglaublich lehrreich. Und dann gab es da natürlich noch die Projektarbeit im dritten Semester sowie meine Masterarbeit. Zusätzlich habe ich freiwillig ein Praktikum im Regionalmanagement gemacht, um noch tiefer in den Bereich einzutauchen.
Apropos Masterarbeit: Worüber hast du deine Masterarbeit denn geschrieben? Ich habe untersucht, wie demokratische Strukturen die Klimawende in ländlichen Räumen beeinflussen – am Beispiel des Landkreises Prignitz, dem am dünnsten besiedelten Landkreis Deutschlands. Ich habe mir angeschaut, wie Aspekte von Demokratie, wie Gerechtigkeit, Solidarität, Freiheit und Beteiligung in der Region gelebt werden und welchen Einfluss das auf den Erfolg von Klimawendeprojekten hat. Dafür habe ich Interviews geführt und bestehende Dokumente analysiert. Zwei Fallbeispiele standen im Zentrum: Ein klassischer Konflikt um den Ausbau von Windenergie und ein Projekt zur Einrichtung einer Lastenrad-Leihe.
Und was kam dabei raus? Mein zentrales Ergebnis war, dass Demokratie die Klimawende fördert! Oft hört man ja, dass demokratische Prozesse zu langsam seien, um große Herausforderungen wie die Klimakrise zu bewältigen. Aber meine Arbeit zeigt, dass gerade Beteiligung, Engagement und Gerechtigkeit dazu führen, dass Klimaschutz-Projekte mehr Rückhalt in der Bevölkerung bekommen. Demokratie ist kein Hindernis, sondern ein Wegbereiter – und für besseren Klimaschutz sollte Demokratie sogar gestärkt werden.
Wie hast du den Übergang vom Studium in den Beruf erlebt? Sehr fließend. Ich habe meine Masterarbeit im Dezember abgegeben, im Februar verteidigt und wurde direkt im März als Regionalmanagerin angestellt. Ich hatte schon während des Studiums Organisationen und Institutionen notiert, die für mich infrage kommen könnten. Aus dieser „Stellenliste“ wurde dann eine richtig gute Bewerbungsgrundlage. Ich habe mich gezielt in Regionen beworben, die ich spannend fand, unter anderem rund um Marburg, Leipzig und den Bodensee.
War das auch dein Wunschberuf? Ja, auf jeden Fall. Ich wollte raus aus der Theorie und rein in die Umsetzung. Regionalmanagement ist eine tolle Schnittstelle zwischen Planung, Beteiligung und nachhaltiger Entwicklung. Ich konnte mir aber auch andere Richtungen vorstellen, zum Beispiel Umweltbildung, Forschung, freie Schulen oder Beteiligungsverfahren in Planungsbüros. Durch meinen Hintergrund im Lehramt hatte ich viele Optionen.
Gab es Überlegungen zur Promotion? Die Frage kam schon auch auf, aber ich habe für mich entschieden: Jetzt erst mal nicht. Ich habe das Studium sehr genossen, aber ich habe auch gespürt, dass es an der Zeit war, loszulegen, etwas Konkretes zu bewirken und der Gesellschaft etwas zurückzugeben.
Was nimmst du aus deiner Zeit in Eberswalde mit? Ganz viel! Einerseits das Vertrauen in meine eigene Wirksamkeit – also die Überzeugung, dass man mit Engagement wirklich etwas verändern kann. Andererseits die Erfahrung, Teil einer Community zu sein, die ähnliche Werte teilt. Ich habe gelernt, wo ich ansetzen kann, um Dinge zu bewegen, und wo ich Unterstützung finde. Und natürlich bleiben viele Freundschaften und Erinnerungen.
Hast du eine besondere Erinnerung, die dir im Kopf geblieben ist? Ja, unsere „Klassenfahrten“. Wir sind in jedem Semester mit unserem Matrikel auf eigene Faust weggefahren. Ein Moment, der mir besonders im Kopf geblieben ist: Wir sind im Sommer nach einer Klassenfahrt mit dem Fahrrad über die Felder zurück zum Bahnhof in der Uckermark gefahren. Dann sind wir noch spontan im See schwimmen gegangen und ich dachte: “Mein Leben ist gerade perfekt”.
Würdest du Eberswalde und den NaRegio-Master weiterempfehlen? Absolut. Der Studiengang bietet so viel Raum für eigene Schwerpunkte und Perspektiven. Die Kombination aus Theorie, Praxis und politischem Anspruch ist etwas Besonderes.
In der Rubrik „Was macht eigentlich ...?“ erzählen unsere Alumni aus ihrer Zeit während und nach dem Studium. Hier findet ihr weitere Interviews dieser Rubrik.
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