Ein Gastbeitrag von Lukas Weinmann
Im Modul „Agrar- und Lebensmittelmarketing“ im Bachelorstudiengang Ökolandbau und Vermarktung (ÖLV) lernen Studierende das kleine Einmaleins des Marketings unter Leitung von Anna Leonie Monz. Einige Studierende beschäftigten sich im Rahmen des Moduls mit der Frage:
Wie umweltfreundlich sind nachhaltige Verpackungsinnovationen wirklich?
Dabei haben sie von der Einwegmilchkreideverpackung erfahren, die das Ökodorf Brodowin benutzt. Das Unternehmen ist Partnerbetrieb in unserem Netzwerk InnoForum Ökolandbau Brandenburg. Jede*r Ersti aus dem Studiengang ÖLV kennt den Betrieb übrigens von der Exkursion während der Einführungswoche.
Wir haben mit Franziska Rutscher, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Ökodorfes, ein Interview geführt und dabei auch erfahren, dass Brodowin dieses Jahr 30 Jahre geworden ist. Wir gratulieren dem Ökodorf herzlich zum Geburtstag! Im Interview lest ihr, was den Erfolg des Betriebs ausmacht und welches Verpackungssystem das Ökodorf Brodowin bevorzugt.
Hallo Franziska Rutscher! Für die, die das Ökodorf Brodowin noch nicht kennen: Können sie es uns kurz vorstellen? Das Ökodorf Brodowin wurde nach der Wende aus einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) heraus gegründet. Felder und Höfe, die Bauern in der DDR in die LPG einbringen mussten, standen den Besitzern nun wieder zur freien, eigenen Verfügung. Den Angestellten der LPG drohte der Verlust ihrer Arbeitsstelle. Die Bauern beschlossen deswegen, dass alle Flächen weiterhin gemeinsam bewirtschaftet werden sollen und gründeten einen Zusammenschluss nach ihren eigenen Vorstellungen – das Ökodorf Brodowin. Sie begannen mit dem Bioanbau. Beim Bioanbau benötigt mensch nämlich mehr arbeitende Hände als im konventionellen Anbau.
Der Umstieg auf Bio war also zunächst quasi eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme?
Genau! Heute bewirtschaften wir im Ökodorf Brodowin eine Fläche von 1.700 Hektar nach strengen Demeter-Richtlinien. Wir haben Ziegen, Schafe, Kühe, Hühner und alle Produkte, die wir erzeugen, werden von uns selbst und Partner*innen in der Region verarbeitet und vertrieben. Dadurch sind wir unabhängig vom Großhandel, im Gegensatz zu anderen Betrieben, die manchmal im schlimmsten Fall ihr erzeugtes Gemüse wegwerfen müssen, weil der Großhandel gerade keinen Bedarf für das Gemüse hat. Wir haben den direkten Kontakt zu den Privatkund*innen und haben die Vermarktung selbst in der Hand.
Und das machen Sie jetzt schon viele Jahre! Dieses Jahr feiert das Ökodorf seinen 30. Geburtstag. Ein Datum, vor dem sich manch einer fürchtet? Brodowin kann aber echt mit Stolz behaupten, eine Erfolgsstory zu sein und die Erwartungen in den 30 Jahren sogar übertroffen zu haben, oder?
Unser Betrieb hat sich gut entwickelt, weil sich Bio so gut entwickelt hat. Wir produzieren unsere Lebensmittel zu 100 % nach Demeterrichtlinien und vertreiben unsere Produkte ausschließlich in der Region. Daran haben wir uns immer strikt gehalten. Aufgrund dieser Authentizität funktioniert Brodowin so gut. Wir erfüllen zudem nicht nur die Mindestanforderungen des Biosiegels. Wir wollen die Natur, die Biodiversität erhalten und dafür machen wir das, was notwendig ist, nämlich aktiv Naturschutzprojekte vorantreiben. Wenn man dieses Ziel konsequent verfolgt und darüber informiert, dann hat man damit Erfolg. Unsere Kundinnen und Kunden wissen, dass wir sehr naturverbunden wirtschaften.
Was würden Sie sagen, ist der größte Erfolg des Ökodorfes Brodowin in den letzten 30 Jahren gewesen? Einen Biobetrieb in solch einer Größe und Vielseitigkeit aufzubauen. Wir sind heute der größte Demeterhof Deutschlands. Und wir haben 200 Arbeitsplätze in einem strukturarmen Gebiet geschaffen.
Neben einer ganzen Palette an Auszeichnungen wurdet ihr unter anderem für euer Mehrwegsystem mit dem „Refillable Award“ der deutschen Umwelthilfe ausgezeichnet. Wo und wie punktet eure Mehrweg-Glasflasche?
Eine Pfandflasche an sich ist nicht unbedingt umweltfreundlicher als andere Verpackungs-materialien, da das Gewicht des Glases bei langen Transportwegen zusätzliche Emissionen verursacht. Das Besondere an unserem System ist, dass wir unsere Glasflaschen nur regional vertreiben. Denken wir mal an große Molkereibetriebe, deren Flaschen legen sehr weite Wege durch ganz Deutschland zurück. Das verursacht viel CO₂. Erst durch eine regionale Begrenzung wird die Glasflasche zu einem ökologisch sinnvollen Mehrwegsystem. Je länger der Transportweg der Verpackung ist, desto eher sollte mensch über leichte Einwegverpackungen statt schwerer Glasflaschen nachdenken.
Welche weiteren Strategien fährt Brodowin zur Reduzierung von Verpackungsmüll?
Viele unserer Produkte füllen wir in Gläser ab. Diese Gläser bepfanden wir mit zwei Euro und reinigen sie professionell in unserer Spülstraße. Das wird sehr gut von unseren Kund*innen angenommen. Zudem benutzen wir Einweg-Milchverpackungen, die aus einem Verbund aus Kunststoff und 40 % Calciumcarbonat hergestellt sind und nur 16 Gramm wiegen. Eine Verpackung also, die wenig Müll erzeugt.
Die Einweg-Milchverpackung aus Kreide benutzt ihr bereits seit 2006, einer Zeit, in der noch nicht viel über nachhaltige Verpackungen gesprochen wurde. Gibt es derzeit Verpackungsinnovationen, die ihr beobachtet und in Betracht zieht, sie in Zukunft zu verwenden?
Man muss leider ehrlich sagen: Kunststoff ist in Bezug auf Lebensmittel eine wunderbare Verpackung. Es schützt gut vor äußeren Umwelteinflüssen. Nicht für alle Lebensmittel lassen sich biologisch abbaubare Verpackungen nutzen. Wenn eine Verpackung verwendet wird, die schon während des Gebrauchs anfängt sich abzubauen, dann immigrieren Stoffe in das Lebensmittel, d.h. es besteht die Gefahr, dass wenn das Lebensmittel irgendwann verzehrt wird, auch Inhaltsstoffe aus der Verpackung mit aufgenommen werden. Wir benötigen daher sicheres Verpackungs-material, und das ist zurzeit entweder Glas oder Kunststoff. In Brodowin setzen wir in Zukunft weiterhin auf Glas.
Auf welche jüngeren Neuerungen im betrieblichen Ablauf seid ihr besonders stolz?
Auf unsere Zusammenarbeit mit der regionalen Radlogistik, konkret dem Netzwerk grüne Stadtlogistik in Berlin. Das ist ein Netzwerk mittels dem wir per Lastenräder 1.000 Kund*innen pro Woche innerhalb des Berliner S-Bahnrings mit unseren Produkten beliefern lassen. Das Netzwerk ist während Corona stark gewachsen und die Wachstumstendenz bleibt steigend.
Da Sie gerade Corona erwähnt haben: Welche Auswirkungen hatte das Pandemiegeschehen auf den Betrieb?
Tatsächlich überwiegend positive. Es gab von einigen Medien die Aussage, wir seien die Gewinner der Krise. Das würden wir so natürlich nie unterschreiben; auch wir hätten uns ein kontrolliertes, planbares Wachstum gewünscht. Unsere Kund*innenzahl hat sich aber während der Pandemie deutlich gesteigert, weil das kontaktlose Liefern für viele relevant war. Es war vielen auch egal, ob sie Biolebensmittel oder konventionell erzeugte bekommen. Wichtig war der Lieferservice. Auf so eine Menge an Anfragen waren wir zunächst nicht vorbereitet. Das war ein großer Kraftakt, aber wir haben es geschafft. Unsere Mitarbeiter*innen haben sehr viel geleistet.
Hat das Ökodorf Brodowin eigentlich einen Geburtstagswunsch?
(lacht) Ja, auf jeden Fall! Wir bringen seit 26 Jahren unsere Biolebensmittel in Berlin zu den Kund*innen nach Hause und nun ploppen Servicedienste auf, die bringen Produkte innerhalb von zehn oder 120 Minuten. Wir wünschen uns, dass der Nachhaltigkeitsgedanke beim Liefern von Lebensmitteln nicht verschwindet. Wir hoffen, dass wir als regionaler Produzent weiterhin auch die Wertschätzung bekommen, die Regionalität verdient hat.
Vielen Dank für das Interview!
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