Klimawandel, Städtebau und Umweltverschmutzung haben die ursprünglichen Moorflächen in Deutschland um mehr als 90 Prozent schrumpfen lassen (BMU). Der Internationale Weltfeuchtgebietstag am 2.2.22 soll auch in Deutschland an die Bedeutung der Moore erinnern.
Die einen finden ihn gruselig, diesen feuchtnebeligen Ort an dem mensch schnell mal mit den Gummistiefeln einsinkt und womöglich gerade über eine 2000 Jahre alte Leiche läuft. Die anderen fragen sich, warum unsere Vorfahren Jahrzehnte lang mit schwerster Handarbeit alles dafür getan haben, es trocken zu legen, nur damit es jetzt wiedervernässt wird. Ja, das Moor hat ein Imageproblem.
Das Image der Moore zu verbessern, das hat sich Prof. Dr. Uta Steinhardt, Professorin für Landschaftsökologie und Landnutzungsplanung an unserem Fachbereich auf die Hochschulfahne geschrieben. Seit 2017 fährt sie mit Studierenden im Rahmen des Wahlpflichtmodul „Geländepraktikum“ nach Rügen in den Nationalpark Jasmund um dort die lokale Mooraufklärung und Wiedervernässung in Kooperation mit dem Bergwaldprojekt e.V. voranzutreiben. Dabei fühlt sie sich manchmal wie die persönliche Fürsprecherin des Moores, wenn sie gemeinsam mit Studierenden Anwohner*innen erklärt, wieso eine Wiedervernässung der Moore auch auf Rügen sinnvoll ist.
Moore leisten einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz
Wenn die Wälder unserer Erde unsere grüne Lunge sind, dann sind die Moore unser grünes Herz. Feuchtgebiete und Moore bedecken weltweit zwar nur knapp fünf Prozent der Landfläche, speichern aber 32 Prozent des Kohlenstoffs – mehr als jeder andere Ökosystemtyp (Böll 2015 Bodenatlas). Zudem sind sie ein Garten Eden was ihre Biodiversität betrifft. Sie geben seltenen Tieren und Pflanzen eine Heimat und filtern Nährstoffe und Schadstoffe aus dem Wasser heraus. Sie haben also auch die Funktion einer Niere für die Gewässer unseres Planeten und sorgen dafür, dass sie schadstofffreier sind. Auch bei Überschwemmungen sind Moore ein Schutzfaktor, denn ihre Torfmoose können Wasser aufnehmen wie ein Schwamm. Bei Hochwasser fungieren sie somit als Puffer, sodass weniger Wasser in anliegende Regionen vordringen kann.
Vom Klimaretter zum Klimakiller
Trocknen Moore jedoch aus, geben die Torfschichten (die organischen Sedimente im Moor), die vorher das CO2 gespeichert haben, große Mengen CO2 und Lachgas frei. Fast sieben Prozent des Treibhausgasaustoßes Deutschlands wird jährlich von ehemaligen Moorflächen verursacht (BMEL). Die Wiedervernässung der Moore ist daher ein wichtiger Baustein bei der CO2 Reduktion.
Renaturierung durch Wiedervernässung auf Rügen
Die Anwohner*innen der Jasmunder Moore auf Rügen plagen derweil die Sorgen, dass deren Wiedervernässung die Standsicherheit von Gebäuden gefährden und vermehrt zu Uferabbrüchen an der Kreideküste führen könnte. Diese Sorgen sind jedoch zu großen Teilen unbegründet. Ein wenig erinnern die Gespräche mit den Anwohner*innen an die Diskussionen um Windräder: Im Prinzip leuchtet allen ein, dass sie aus ökologischer Sicht sinnvoll sind, aber niemand will sie im eigenen Umfeld haben. Auch bekannt als Nimby Phänomen (not in my backyard).
Doch Uta Steinhardt und ihre Student*innen lassen sich davon nicht beirren. Auch wenn solch ein Einzelprojekt kaum Einfluss auf die globale Erwärmung hat, so die Professorin, sehe sie in der Wiedervernässung der Moore hier „eine Vorbildfunktion und eine beispielhafte Demonstration von Lösungen“, wie der Umgang mit Mooren in Zukunft aussehen könne. In einem Land wie Deutschland müsse man zeigen, „dass es gelingt, genau auf die Nutzung solcher Flächen zu verzichten und (trotzdem) nichts an unserem Wohlstand einzubüßen.“ Damit das Wasser wieder besser in den Moorflächen zurückgehalten werden kann, bauen Studierende auch dieses Jahr wieder eine Woche lang im Juli zusammen Spundwände und überwinden Gräben. Auch die mit den Anwohner*innen. Denn gute Kommunikation ist „Key“. Einige der bereits erfolgreich wiedervernässten Moore auf Rügen kann mensch vor Ort besuchen. Oft sind das Landesflächen.
Doch was passiert mit Moorflächen, die Landwirt*innen gehören oder von denen gepachtet sind und die Idee einer Wiedervernässung nicht auf Verständnis trifft?
Paludikultur ist das Zauberwort
Auch wenn viele Landwirt*innen einer torfschonenden Bewirtschaftung ihrer Flächen durch Anhebung der Grundwasserstände skeptisch gegenüberstehen, gibt es Pionier*innen in der Branche, die die Wiedervernässung ihrer Moorflächen erfolgreich voranbringen. Nutzen kann mensch diese Flächen nämlich trotzdem – und zwar mit speziellen Anbausystemen, sogenannten Paludikulturen. Damit gemeint ist die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore. Ein traditionelles Beispiel dafür ist der Anbau von Schilf, das für die Dachdeckung genutzt wird. Auch in Brandenburg, vor allem aber in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gibt es einige Projekte, die eine derartige landwirtschaftliche Nutzung der Moore erproben. Kultiviert werden dort Rohrkolben, Großseggen und Schilf, die sich zu Dämmmaterial verarbeiten sowie zu Möbeln pressen oder thermisch verwerten lassen.
Noch rentiert sich der Anbau solcher Kulturen ökonomisch für die Landwirt*innen nicht, aber die Nachfrage nach Paludikulturen steigt. Nun ist die Politik am Zug, das Konzept der Paludikulturen zu fördern. Dass das eigentlich nichts Neues ist, verrät ein Blick nach Berlin. Berlin ist dem slawischen Namensursprung nach ein „Ort im Sumpf“. Erzeugnisse aus Paludikultur wären also ziemlich passend. Naja, träumen darf man ja. In diesem Sinne: Happy Weltfeuchtgebietstag!
… vielleicht ja draußen im Moor (Tipps gibt´s hier)...
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