„Total dual! – Zwischen Acker und Hörsaal“ – na, sagt euch das noch was? Wir beleben unser Format wieder, in welchem wir die dual-studierenden ÖLV*innen an unserem Fachbereich vorstellen. In Folge 10 nimmt Moritz euch mit in seinen abwechslungsreichen Alltag von Studium und Ausbildung.
Moritz im Sommer beim Heuwenden (Fotos: Moritz Bielesch)
Hallo Moritz! Seit wann studierst du in Eberswalde? Und was hast du davor gemacht?
In Eberswalde lebe und studiere ich seit September 2021, davor habe ich 14 Monate auf einem Demeter-Betrieb in Sachsen das zweite Lehrjahr für die landwirtschaftliche Ausbildung verbracht.
Zwischen Abitur und Studienbeginn sind bei mir fünf Jahre vergangen. Während eines „FÖJ-Kultur“ bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Thüringen waren für mich die Themen Strukturwandel in der Landwirtschaft, das Tierwohllabel und Initiativen für mehr ökologische Landwirtschaft sehr präsent. Dabei wurde mir klar: Landwirtschaft ist politisch ein spannendes Feld, mit dem ich mich mehr beschäftigen möchte. Anschließend daran war ich für 12 Monate für einen „weltwärts“ Freiwilligendienst in Tansania. Dort habe ich im Practical Permaculture Institute Zanzibar den praktischen Teil der Landwirtschaft intensiver kennenlernen dürfen. Vor Ort gab es viele kleinbäuerliche Strukturen und lokale Initiativen für ökologischen Landbau. Vor allem der Einblick in den Anbau von Gewürzen war sehr eindrucksvoll und lehrreich. In den restlichen zwei Jahren bis zum Studienstart war ich weiterhin als Freiwilliger unterwegs, habe auf Höfen in Europa und Asien gewwooft und war auf Hof-Suche für meine Ausbildung.
Warum hast du dich für den dualen Studiengang an der HNEE entschieden?
Ich habe mich für diesen Studiengang entschieden, weil er in seiner Ausrichtung und seinem Curriculum in Deutschland einzigartig ist. Alle, auch die naturwissenschaftlichen Module, sind sehr praxisnah ausgerichtet. Das war für mich ein wichtiges Kriterium, da ich Inhalte wie Chemie, Mathematik und Physik nicht isoliert studieren wollte. Der duale Studiengang ergänzt meine Ausbildung inhaltlich ideal. Der Aufbau von drei Semestern Grundstudium mit anschließender Praxisphase im Rahmen der Ausbildung im vierten und sechsten Semester ermöglicht mir, meine Grundbildung zu erweitern, bevor ich sie mit praktischen Erfahrungen in der Ausbildung verknüpfe. Zudem bilden die Transferleistungen die Brücke, sowieso schon praktische Module noch mehr mit dem Ausbildungspartner in Kontext zu stellen, durch bspw. das Analysieren von Gründlandschlägen.
Ein weiterer Aspekt war das Gesamtkonzept, welches ich in Eberswalde geboten bekam. Der Standort hat einfach überzeugt. Ich fand die überschaubare Größe und die im Grundsatz nachhaltige Ausrichtung der Hochschule ansprechend. Ich wusste, dass ich hier auch studiengangs- und fachbereichsübergreifend Module belegen und spannende Inhalte über bspw. Forstwirtschaft und Landschaftsnutzung mit meinen Studieninhalten kombinieren kann.
Studium und Ausbildung finden ja im Wechsel statt: Wo finden wir dich, wenn du nicht gerade im Hörsaal bist, sondern auf Deinem Ausbildungsbetrieb? Warum hast Du Dich für den entschieden?
6er Tandemmelkstand & Kuh Uska im Schnee, Hof Mahlitzsch (Fotos: Moritz Bielesch)
Ich habe mein duales Studium und damit das dritte Ausbildungsjahr auf zwei Betriebe mit jeweils
sechs Monaten Ausbildungszeit aufgeteilt. Das zweite Ausbildungsjahr und die zweite Praxisphase im Studium verbringe ich hauptsächlich im Kuhstall oder auf dem Schlepper. Dabei habe ich mit dem Hof Mahlitzsch einen professionellen Gemischtbetrieb in der Nähe von Meißen an der Hand, welcher mit 80 Milchkühen und eigener Nachzucht, ca. 300 ha bewirtschafteter Fläche inklusive Wald, Gärtnerei, einer Vermarktung über Abo-Kisten und Hofladen überzeugen kann. Wie häufig in der Landwirtschaft, wurde und werde ich auch da eingesetzt, wo Hilfe gerade gebraucht wird. Doch Melken, Füttern, Futterbestellung und die Ernte haben auf jeden Fall die meiste Zeit eingenommen.
Heuwenden mit IHC; Säen von Blühstreifen mit Deutz und Gasparo; Umbruch nach Getreideernte, Hof Mahlitzsch (Fotos: Moritz Bielesch)
Die erste Praxisphase während des Studiums und damit der Start meines dritten Ausbildungsjahres wird für mich auf Gut Wilmersdorf stattfinden. Der Betrieb ist vielen an der HNEE schon ein Begriff, da dort viel Praxisforschung stattfindet und sich dort die Lehr- und Forschungsstation der Hochschule befindet. Mit dem Gut Wilmersdorf bin ich ackerbaulich sehr gut betreut und freue mich schon auf die praktische Arbeit. Bei knapp 1200 ha Fläche werde ich da viel Erfahrung im Umgang mit Maschinen sammeln können. Also ab März 2023 werdet ihr mich hauptsächlich auf einem Fendt oder Claas finden …
Was nimmst Du von der Hochschulwelt mit in die Praxis und andersherum?
Gruppenarbeiten und im Team zu funktionieren, gehören im Hochschulalltag zur Tagesordnung. Dafür notwendig ist es, gut zu kommunizieren und Verständnis für die Position Anderer zu haben. Fachlich bin ich noch Einsteiger, weswegen da viele Fragenzeichen existieren. Fragen stellen, eigene Wissenslücken mitteilen und gut beobachten, wie die Herangehensweisen vor Ort sind; diese Aspekte nehme ich definitiv aus der Hochschule mit in den Betrieb. Was ich aber aus dem Arbeitsalltag grundsätzlich mit ins Studium genommen habe, ist vor allem der Fakt, dass viel besprochen werden kann, aber wir irgendwann auch ins Tun kommen müssen. Nicht zuletzt ist in beiden Welten Eigeninitiative gefragt!
Wo siehst du den Vorteil des dualen Studiengangs im Vergleich zur Ausbildung zum Landwirt oder dem klassischen Ökolandbau-Studium?
Die Vernetzung mit der Praxis hat meiner Ansicht nach viele Vorteile. Ich hatte durch das zweite Ausbildungsjahr, welches ich auf 14 Monate gestreckt habe, einen intensiven Einblick in die Praxis. In der Berufsschule war ich nicht, dadurch konnte ich noch mehr Zeit im Betrieb verbringen. Das Studium schließt jetzt Lücken und gibt viel theoretischen Background. Zudem genieße und schätze ich die Abwechslung zwischen hochwertigen Vorlesungsinhalten und praktischer Anwendung. Das macht viele Themen greifbarer und die Verknüpfung ist viel direkter. Zudem sind das Leben als Studi und das Leben in einer Ausbildung zwei völlig unterschiedliche Dinge. Da immer mal hin und her zu springen und die Vorteile beider Welten zu erleben, hat für mich auch etwas.
Unser Format „Total dual! – Zwischen Acker und Hörsaal“ stellt euch die dual-studierenden ÖLV*innen an unserem Fachbereich vor und nimmt euch mit in den abwechslungsreichen Alltag von Studium und Ausbildung.
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